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Chris Collet Coaching | Design by Formatnull
AutorenbildChris Collet

Geld oder Liebe? Befördert kostenlose Care-Arbeit uns Frauen ins finanzielle Aus?

Aktualisiert: vor 3 Tagen



Care-Arbeit – ein Begriff, der oft unauffällig im Hintergrund unserer Gesellschaft existiert, obwohl er das Fundament vieler Leben bildet. Unter Care-Arbeit versteht man die Betreuung und Pflege von Kindern, Kranken, älteren Menschen sowie die Hausarbeit. Diese Aufgaben werden zumeist von Frauen verrichtet und das oft unbezahlt.


Bei einer Impulstagung der Femmes Sapiens, an der ich kürzlich teilgenommen habe, wurde genau diese Thematik beleuchtet: Wie beeinflusst die unbezahlte Care-Arbeit das Leben und die finanzielle Situation von Frauen? In diesem Artikel berichte ich über die Tagung, unsere Erlebnisse und Diskussionen und gehe der Frage nach, ob diese oft aus Liebe oder gesellschaftlicher Verpflichtung geleistete Arbeit Frauen finanziell benachteiligt – und welche Wege es geben könnte, um das zu ändern.



Inhaltsverzeichnis




Dunkelhäutige Frau am Laptop mit Baby im Arm
Multitasking - bis zum Burnout

Take care - schweizerisch: "Heb' dr Sorg"


Der Begriff "Care-Arbeit" stammt aus dem Englischen, wo "to care" so viel bedeutet, wie sich kümmern, sorgen oder pflegen. Das amerikanische "take care" bedeutet, dass einem die andere Person wichtig ist und man sie deshalb bittet, gut auf sich aufzupassen.


Im Schweizerdeutschen sagt man dazu liebevoll: "Heb' dr Sorg" – kümmere dich um dich selbst oder um andere.


Dieser Ausdruck trifft den Kern der Care-Arbeit, denn es geht genau darum: Für andere Sorge zu tragen, oft auf unsichtbare, selbstverständliche Weise. Ursprünglich wurde der Begriff in feministischen Kreisen geprägt, um die unbezahlte Arbeit von Frauen im Haushalt und in der Pflege sichtbar zu machen. Was lange als reine „Pflicht“ oder „natürliche Aufgabe“ angesehen wurde, sollte eine Anerkennung als wertvolle und zentrale Arbeit erfahren.


In einer Welt, die zunehmend auf Effizienz und Profitabilität ausgerichtet ist, stelle ich persönlich mir die Frage, ob Care-Arbeit gerade deshalb so wenig finanzielle Wertschätzung erfährt – weil das sonst die Profitabilität der bezahlten Erwerbstätigkeit mindern würde.



Care - oder "Familienarbeit"?

Interessanterweise hat das englische Wort „care“ nicht nur die Bedeutung von „sorgen“ oder „pflegen“. Im Italienischen bedeutet „caro“ „teuer“ oder „wertvoll“, weshalb es einer der Organisatorinnen der Tagung, Manuela Morelli, besonders gut gefällt. Ihres Erachtens widerspiegelt dieser Begriff die essenzielle Rolle der Care-Arbeit besonders gut. Denn auch wenn diese Arbeit oft unsichtbar und unbezahlt ist, ist sie von unschätzbarem Wert – sowohl für Familien als auch für die gesamte Gesellschaft.


Manche sprechen statt von Care-Arbeit lieber von „Familienarbeit“, da viele der Aufgaben innerhalb eines familiären Rahmens stattfinden. Allerdings birgt dieser Begriff das Risiko, ein traditionelles, konservatives Familienmodell – Vater, Mutter, Kind – in den Vordergrund zu stellen und dabei alternative Formen des Zusammenlebens auszublenden. Care-Arbeit findet jedoch auch in Patchwork-Familien, gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oder Freundeskreisen statt, in denen Menschen füreinander sorgen. Der Begriff sollte also möglichst umfassend sein, um die vielen Formen menschlicher Fürsorge zu würdigen, die unsere Gesellschaft erst möglich machen.


Der Verein "Femmes Sapiens"


Im schweizerischen Städtchen Brugg hat sich ein junger Verein leidenschaftlich engagierter Frauen Folgendes auf die Fahne geschrieben:


"femmes sapiens bereitet das historische Vermächtnis von Frauen der Region Brugg und weiteren Bezirken auf, macht es sichtbar und gibt ihm damit die längst fällige und für die Geschichtsschreibung wichtige Beachtung. Protagonistinnen sind Frauen von jung bis weise, von stillen Schafferinnen bis im Rampenlicht stehende, Alteingesessene, zugezogene und immigrierte Familienfrauen, Fachfrauen, Künstlerinnen und Lebenskünstlerinnen.

 

femmes sapiens will Mikrogeschichten einfangen, die Kraft der Region aufzeigen, Visionen von Migrantinnen sehen, das Wissen über den Ort weitergeben und eine neue 

Erinnerungskultur schaffen. femmes sapiens lebt und entwickelt sich weiter und soll auch in andere Regionen der Schweiz ausstrahlen.

Die Vision einer neuen Erzählung von Frauengeschichte(n) braucht ein stabiles Fundament und ein langfristiges Engagement. Der Verein femmes sapiens wurde 2022 gegründet."


Femmes Sapiens - die weisen Frauen. Ich stöbere ein wenig, um die Ursprünge des Namens ans Licht zu bringen:


Homo Sapiens


Bedeutet gemäss Wikipedia:

Mensch (Homo sapiens, lateinisch für „verstehender, verständiger“ oder „weiser, gescheiter, kluger, vernünftiger Mensch“)


Lady Sapiens - auf den Spuren des Steinzeit-Mythos


"Beeren sammeln, Kinder hüten – lange Zeit wurden diese Aufgaben den Frauen der Steinzeit zugedacht. Neue Erkenntnisse aber zeigen: Die Frauen gingen jagen und führten ihre Clans an. Die Arbeitsteilung der Steinzeitmenschen war keinesfalls streng getrennt, wie bislang vermutet" - so heisst es in der Zusammenfassung zur Dokumentation "Lady Sapiens - auf den Spuren des Steinzeit-Mythos".


Link zum Trailer


Femmes Sapiens - ich finde, treffender hätte ein Verein, der Frauengeschichte(n) sichtbar machen will, seinen Namen nicht wählen können.


Falls du jetzt überlegst, wie diese französische Wortschöpfung richtig ausgesprochen wird, findest hier die Antwort: Femmes Sapiens.



 

Impulstagung der Femmes Sapiens


Ich bin mit den Hunden unterwegs, als mich die Nachricht von Manuela Morelli, einer langjährigen beruflichen Wegbegleiterin, erreicht. Die Femmes Sapiens veranstalten eine Impulstagung zum Thema Care-Arbeit.


Unbezahlte Care-Arbeit und die Vereinbarkeit mit dem Beruf - diese Angelegenheit brennt mir unter den Nägeln. Fast täglich spreche ich mit Frauen, deren persönliches und professionelles Leben sich nach der Geburt von Kindern so grundlegend verändert, wie sie es sich nie hätten vorstellen können. (Für eine Mutter) unerfüllbare Präsenszeiten bei der Arbeit, Schwierigkeiten mit erreichbarer, guter und bezahlbarer Kinderbetreuung und unfreiwilliges Multitasking bis an den Rand des Burn-outs werden zur traurigen Tagesordnung.


Und hier fangen wir noch nicht einmal an, davon zu sprechen, was dazu kommt, wenn Eltern oder Schwiegereltern betreuungsbedürftig werden. Auch diese Aufgaben werden fast immer von den Frauen übernommen. Die Femmes Sapiens rufen und über 80 engagierte Frauen kommen. Unter ihnen auch Frau Stadtammann Barbara Horlacher von der Stadt Brugg, Ständerätin Marianne Binder, Grossrätin Gertrud Häseli und Grossrätin Ruth Müri.



Me-Care / Selfcare


Bereits als ich im Zimmermannhaus in Brugg ankomme, erkenne ich, dass für ein Thema mit Sicherheit gesorgt ist: Me-Care. Vegetarische und vegane Köstlichkeiten stehen, zusammen mit einer vielfältigen Auswahl an Getränken, während des ganzen Tages für uns bereit.


Köstlichkeiten von Kantinela (Foto: Susanne Seiler)

Frau, ca. 55 Jahre, graue Haare, Brille, violettes T-Shirt, lacht, macht sportliche Zumba-Bewegung.
Manuela, eine der Organisatorinnen, in Beststimmung (Foto: Susanne Seiler)

Yhenni Medina bringt uns nach einem leckeren Mittagessen durch eine mitreissende Zumba-Lektion im Park in Schwung für den Nachmittag.


Die jüngst gekürte Schweizer Meisterin (U20) im Poetry Slam, Johanna Ruoff reizt die Lachmuskeln und übersetzt für uns Gedanken von Menschen, die in etwa 40 Jahre jünger erwachsen sind als ich.









Wer mich kennt, weiss, dass meine Beine zwanghaft stehen bleiben, wenn ein Buch in Sicht ist. So komme ich am Büchertisch von Alexandra Rüedi (Orell Füssli Brugg) natürlich nicht vorbei.


Die wunderbare Susanne Seiler hat uns fotografisch durch den Tag begleitet.



Die gesamte Tagung ist sehr abwechslungsreich und liebevoll organisiert. Jedes Detail ist durchdacht. Ein insgesamt sehr inspirierender Tag.










Nach der Begrüssung tauschen wir uns mit unseren Sitznachbarinnen aus und haben Gelegenheit, uns näher kennenzulernen, während wir über die Frage diskutieren:


Was bedeutet Care-Arbeit für dich?


Frauen diskutieren miteinander. Grossrätin und Biolandwirtin Gertrud Häseli
Stühle umdrehen, ins Gespräch kommen: "Was bedeutet Care-Arbeit für dich?" Mit dabei: Bio-Landwirtin und Grossrätin Gertrud Häseli (Grüne). Foto: Susanne Seiler


Wenn der Staat die unbezahlte Arbeit vergisst



Danielle Axelroud von "économie féministe" betonte in ihrem Vortrag die Notwendigkeit einer feministischen Ökonomie. Sie stellte heraus, dass die Mainstream-Ökonomie stark von Männern geprägt ist, ähnlich wie die Medizin, und regte an, die gewohnten Denkansätze in der Wirtschaft zu hinterfragen.


Im aktuellen Diskurs werden oft die falschen Fragen gestellt. Das führt nicht nur zu ungenauen Antworten, sondern auch dazu, dass bestimmte Themen gar nicht erst angesprochen werden.


Wichtige Aspekte, wie die Bedeutung von Sorge- und Care-Arbeit, bleiben so oft vollständig außen vor. Hier will sie mit Abhilfe schaffen. Ihre wissenschaftliche Forschung und konkrete Datenerhebungen findest du auf der Webseite.


Danielle Axelroud (Foto: Susanne Seiler)

Danielle Axelroud möchte dazu anregen, die Wirtschaft als Ganzes zu sehen – einschließlich der bezahlten und unbezahlten Care-Arbeit.


Sie betont:


„Wenn man erst die Größenordnungen in Stunden und Franken sieht, wird es schwierig, weiterhin die Unsichtbarkeit zu bewahren.“

Es ginge dabei nicht um ein reines „Frauen-Problemchen“, sondern um Fakten, die wir als Grundlage für politische Entscheidungen nutzen sollten. Da bin ich absolut deiner Meinung, liebe Danielle!


Sehr eindrücklich hat sie die aktuelle Sachlage mit dem Modell des Eisbergs aufgezeigt:

(Foto: Danielle Axelroud)
(Bild: Danielle Axelroud)

Danielle Axelroud veranschaulicht das Verhältnis zwischen der sichtbaren Wirtschaft und der unbezahlten Care-Arbeit mithilfe des Eisbergmodells. Sie zeigt, dass der Teil der Wirtschaft, den wir normalerweise zählen – also der primäre, sekundäre und tertiäre Sektor, wie Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistungen – nur die Spitze des Eisbergs darstellt, den Teil, der über der Wasseroberfläche liegt. Darunter, unsichtbar und oft ignoriert, befindet sich der viel größere Teil: die unbezahlte Care-Arbeit.


Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst den wirtschaftlichen Erfolg eines Landes, indem es nur die Waren und Dienstleistungen berücksichtigt, die auf dem Markt gehandelt und bezahlt werden. Unbezahlte Tätigkeiten wie Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen oder Hausarbeit fließen nicht in diese Berechnungen ein, obwohl sie einen enormen Beitrag zum Funktionieren der Gesellschaft leisten. Axelroud verdeutlicht, dass diese unsichtbare Arbeit – der große, unter Wasser verborgene Teil des Eisbergs – einen erheblichen Wert hat, der im BIP nicht auftaucht, obwohl ohne sie die sichtbare Wirtschaft nicht funktionieren könnte.


Axelroud nennt weitere beeindruckende Zahlen, die zum Innehalten und Bewusstwerden anregen. Der monetäre Wert der unbezahlten Arbeit von Frauen in der Schweiz beträgt jährlich 248 Milliarden Franken – das ist mehr als alle Ausgaben von Bund, Kantonen und Gemeinden zusammen, die 2016 bei 228 Milliarden Franken lagen. Diese enormen Zahlen verdeutlichen, wie wertvoll die unbezahlte Care-Arbeit ist und wie oft sie übersehen wird.


Ein weiteres aufschlussreiches Beispiel ist der monetäre Wert des Mahlzeitenzubereitens und des Abwaschens in Schweizer Haushalten, der größer ist als die Bruttowertschöpfung des gesamten Finanzsektors. Hier beläuft sich der Wert auf 71 Milliarden Franken im Vergleich zu nur 36 Milliarden Franken für Banken, Versicherungen und Immobilien.


Zudem wird deutlich, dass Frauen im Durchschnitt 100 Milliarden Franken weniger verdienen als Männer. Wenn Männer im Schnitt 100.000 Franken verdienen, liegt das durchschnittliche Einkommen der Frauen bei lediglich 57.000 Franken.


Diese Einkommenslücke ist das Resultat von zwei wesentlichen Faktoren: dem Gender Pay Gap zu 1/4 und einer ungleichen Verteilung der unbezahlten Arbeit, die 3/4 ausmacht.


Diese Zahlen machen deutlich, wie wichtig es ist, die Realität der Geschlechterungleichheit in der Arbeitswelt anzuerkennen und die immense Bedeutung der unbezahlten Care-Arbeit, auch wirtschaftlich zu würdigen.



(Folie: Danielle Axelroud)
 


Situation in Deutschland und Österreich

(Anmerkung Chris Collet: Die nachfolgenden Zahlen habe ich durch eine Blitzrecherche gefunden. Sie sind nicht bestätigt / überprüft und sollen hier lediglich als Anhaltspunkt dienen)


In Deutschland und Österreich zeigt sich eine ähnliche Situation wie in der Schweiz, wenn es um die unbezahlte Care-Arbeit geht. Der monetäre Wert dieser Arbeit, die überwiegend von Frauen geleistet wird, wird häufig nicht angemessen gewürdigt. In Deutschland wird geschätzt, dass der Wert der unbezahlten Arbeit jährlich bei über 400 Milliarden Euro liegt, während in Österreich die Schätzungen ebenfalls in den Hunderten von Milliarden Euro rangieren.


Diese Zahlen verdeutlichen, dass Care-Arbeit eine zentrale Rolle im wirtschaftlichen Gefüge spielt, obwohl sie im Bruttoinlandsprodukt (BIP) nicht erfasst wird.

Darüber hinaus zeigt der Gender Pay Gap in beiden Ländern, dass Frauen im Durchschnitt deutlich weniger verdienen als Männer. In Deutschland beträgt die Lohnlücke rund 19 Prozent, während sie in Österreich bei etwa 16 Prozent liegt. Diese Ungleichheiten sind zum Teil auf die ungleiche Verteilung der unbezahlten Care-Arbeit zurückzuführen, die Frauen oft daran hindert, ihre beruflichen Möglichkeiten voll auszuschöpfen.


 

Zu der durch die Care-Arbeit ausgelösten Rentenlücke bietet Danielle Axelroud aufschlussreiche Informationen auf ihrer Webseite:


Altersvorsorge

Was wir wissen müssen

Das Altersvorsorgesystem in der Schweiz bürdet den Frauen eine massive Rentenlücke auf: laut neusten Erhebungen durchschnittlich fast 20 000 Franken pro Jahr und Rentnerin. Trotzdem sollen sie den Preis der aktuellen Reform unserer Altersvorsorge mit der Erhöhung ihres Rentenalters bezahlen: 1,2 Milliarden jährlich will auf Kosten der Frauen gespart werden. Diese Rechnung geht nicht auf. Aber was müssen wir denn eigentlich wissen, wenn wir in dieser Debatte mitreden wollen?


Grundlegende Fakten, Informationen und Positionen findest du hier.


 

Warum Care-Arbeit keine Privatsache ist


(Foto: Chris Collet)

Das war der nächste Punkt auf der Tagesordnung bei der Impulstagung "We Care", wo deutlich wurde, dass Care-Arbeit keine private Angelegenheit ist, sondern tief in unsere gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen eingebettet ist. Wir, die Frauen, die an dieser Veranstaltung teilnahmen, diskutierten in fünf Panels, in denen verschiedene Aspekte der Care-Arbeit beleuchtet wurden, und tauschten uns angeregt über Lösungen und Herausforderungen aus.


1. Panel: Der (fehlende) 4. Sektor – die Care-Arbeit


Im ersten Panel wurde intensiv diskutiert, wie viel Zeit in Care-Arbeit investiert wird und dass diese oft als unsichtbarer Wirtschaftsfaktor gilt.


Die Teilnehmenden reflektierten über ihre eigenen Erfahrungen und erörterten, was ihre Eltern und Großeltern in diesem Bereich geleistet haben und wie sich die Organisation von Care-Arbeit im Laufe der Generationen verändert hat.


Ein weiterer Schwerpunkt war die Frage, welche Arten von Arbeit bezahlt werden und welche nicht. Hierbei wurde auch die Diskussion über die Grenzen des Outsourcings und die fehlende Anerkennung für viele Formen von Care-Arbeit, die oft unbezahlte oder unterbewertete Tätigkeiten sind, behandelt.




2. Panel: Care-Beziehungen denken in Berufen


Im zweiten Panel wurde die Rolle von Care-Arbeit in verschiedenen Berufsfeldern wie Gastronomie, Bildung, Gesundheit und Detailhandel thematisiert. Die Teilnehmenden stellten sich Fragen zur Bedeutung von Care in diesen Bereichen.


Ein weiterer Punkt der Diskussion war, welche Arbeiten bezahlt werden. Hierbei wurde das Spannungsfeld zwischen Profit und Care angesprochen.


Zusätzlich wurde diskutiert, wie die Logik des Profits die Care-Arbeit beeinflusst, insbesondere im Hinblick auf private versus institutionelle Anbieter.







3. Panel: Die Care-Krise


Im dritten Panel wurde diskutiert, was passiert, wenn Care-Arbeit wegfällt oder wenn niemand mehr bereit ist, sie unentgeltlich zu leisten. Die Teilnehmenden erörterten die Bedeutung von Care als Grundlage der Gesellschaft und der Wirtschaft.


Ein weiterer zentraler Punkt war die Frage, welche Werte in der modernen Care-Arbeit gelebt werden und welche Werte gefördert werden sollten. Die Herausforderungen, die sich aus diesen Überlegungen ergeben, wurden ebenfalls angesprochen.


Zusätzlich wurde erörtert, wie Care-Arbeit aufgewertet werden kann. Die Teilnehmenden suchten nach Wegen zur Anerkennung und Wertschätzung dieser wichtigen Tätigkeit.


4. Panel: 100 Milliarden – der Care-Gap


Im vierten Panel wurde die Frage erörtert, wie Care-Arbeit die Karriere von Frauen beeinflusst. Dabei standen Themen wie Einkommensverlust und Altersarmut im Mittelpunkt.


Die Teilnehmenden diskutierten auch die Kosten, die Frauen aufgrund von Care-Arbeit tragen, einschließlich Karriereknick, Mutterschaftsstrafe, BVG-Lücke und das Risiko von Burn-out.


Abschließend wurde thematisiert, warum sich die Gesellschaft mit diesen Herausforderungen auseinandersetzen sollte und wie eine Neubewertung von Fürsorglichkeit und Abhängigkeit dazu beitragen kann, die Situation zu verbessern.







5. Panel: Care als Voraussetzung der Wirtschaft


Im fünften Panel haben wir uns mit der Frage beschäftigt, warum Sockenwaschen als Care-Arbeit betrachtet werden kann und wie unverzichtbar diese Tätigkeit für die Wirtschaft ist. Dabei wurde deutlich, dass unbezahlte Care-Arbeit weitreichende Folgen hat.


Wir haben auch die Folgen des Schweizer Rentensystems diskutiert, insbesondere im Hinblick auf Trennungen und deren Auswirkungen auf Frauen. Die Teilnehmenden reflektierten darüber, wie diese Aspekte oft übersehen werden.


Zusätzlich wurde die Rolle der Migration thematisiert, insbesondere die Herausforderungen der Ausbeutung von Arbeitskräften und die Verbindung zur Care-Arbeit im globalen Kontext.




(Foto: Susanne Seiler)

Elife Bicer (Foto: Susanne Seiler)

(Foto: Susanne Seiler)


Fazit aus den Panels und Podiumsdiskussion


Den Abschluss dieses Abschnitts bildeten eine Fazitrunde und eine Podiumsdiskussion mit prominenten Expertinnen wie Marianne Binder, Ruth Müri und Danielle Axelroud. Sie reflektierten über die Erkenntnisse aus den Panels und betonten die Notwendigkeit, Care-Arbeit in die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen zu integrieren.


Es wurde klar, dass Care-Arbeit keine Privatsache ist, sondern ein zentrales Thema, das die Grundlage unserer Gesellschaft bildet und für das wir alle Verantwortung tragen.


Diese lebhaften Diskussionen und der Austausch unter uns Frauen sensibilisierten uns für die vielfältigen Auswirkungen der Care-Arbeit. Sie erhöhten unser Bewusstsein für die Relevanz der Care-Arbeit. Und - diesen Eindruck hatte ich nicht nur bei mir selbst - es stärkte unser Selbstbewusstsein als Frau, zu sehen, WIE RIESIG und WERTVOLL der Teil ist, den wir zur Gesellschaft beitragen.


v.l.n.r. Marianne Binder, Ruth Müri, Danielle Axelroud. Moderation: Astrid Baldinger (Foto: Susanne Seiler)


 

Weiterführende Literatur zum Thema Care-Arbeit und Frauen


Am Büchertisch fanden wir eine Auswahl an weiterführender Literatur zum Thema Care-Arbeit und deren Bedeutung für Frauen.


Natürlich konnte ich nicht nach Hause gehen, ohne ein Buch zu adoptieren. Hier ist ein Zitat daraus, das sich bei mir eingebrannt hat:


Alani leistet mir gerne beim Lesen Gesellschaft

"Willst du Putzfrau werden?"
Mit dieser drohenden Frage setzte Emilia Roigs Mutter sie unter Druck, auf Biegen und Brechen gut in der Schule zu sein.
Gleichzeitig wertete sie damit den Beruf der Putzfrau permanent ab.
Aus dem Buch: Why we matter. Von Emilia Roig.

Die komplette Liste der empfohlenen Bücher kannst du dir als PDF herunterladen. Klicke einfach auf den Button:





 

Workshop: Welche Care-Modelle kennen und leben wir?


Am Nachmittag der Impulstagung nahmen wir an einem Workshop teil, der unter dem Titel „Welche Care-Modelle kennen und leben wir?“ stattfand. Ziel des Workshops war es, eine etwas andere Sichtweise auf das Thema Care-Arbeit zu entwickeln. Dies geschah durch das Zukunftslabor mit Simona Hofmann und Friederike Vinzenz.


Ein zentraler Bestandteil des Workshops war die Design-Thinking-Methode „Lego Serious Play“. Diese Methode ermöglicht es den Teilnehmenden, komplexe Ideen und Konzepte durch das Bauen mit LEGO-Steinen zu visualisieren und zu konkretisieren.


Dabei können individuelle Gedanken in greifbare Modelle umgesetzt werden, die anschließend als Diskussionsgrundlage dienen. So wurden kreative Lösungen und neue Ansätze für die Zukunft der Care-Arbeit entwickelt, während wir gleichzeitig unsere eigenen Erfahrungen und Perspektiven einbrachten. Der Workshop bot Raum, um gemeinsam innovative Care-Modelle zu erkunden und zu gestalten.



buntes Konstrukt aus Lego-Bausteinen, Serious Play, Zukunftsvision Care-Arbeit, hier ein Lebensbaum
Der Lebensbaum einer Teilnehmerin (Foto: Susanne Seiler)

Offen gestanden war ich zunächst etwas überfordert, im Rahmen der ersten Übung aus Legosteinen meinen Lebensbaum zu gestalten.


Erleichtert tat ich mich mit einer Gleichgesinnten zusammen, die sagte: „Bei mir im Kopf finden Wörter statt – ich bin nicht sehr begabt mit den Händen.“


Im zweiten Schritt bauten wir gemeinsam - und bereits selbstbewusster - eine komplette Zukunftsvision, wie Care-Arbeit in unser aller Leben integriert werden könnte.


Die anderen Duos am Tisch taten dasselbe.





Am Schluss fügten wir all unsere Lebensentwurf-Visionen auf einer großen Lego-Platte zusammen. Uns allen war das Eisberg-Modell von Danielle Axelroud noch sehr präsent, und so wurde eben dieses – die unsichtbare Care-Arbeit – in unserem Modell harmonisch eingefügt. Und zwar jetzt sichtbar.


Die wichtigsten Aspekte unseres Lebens werden gestützt durch die Care-Arbeit, welche gleichmässig von allen geleistet wird. Der untere Teil des "Eisbergs" ist nun sichtbar und wertgeschätzt. (Foto: Susanne Seiler)

 

Die Aargauer Zeitung schrieb einen Artikel über die Tagung. Du findest ihn hier.



 

Das fehlende Puzzleteil in der Geschichte


Zum Abschluss der Impulstagung präsentierte Astrid Baldinger Fuchs, Historikerin lic. phil., das Thema "Das fehlende Puzzleteil" – eine kritische Auseinandersetzung damit, wie die Geschichten von „nur“ Hausfrauen wahrgenommen werden.


Sie stellte die Frage nach dem Wert und der Relevanz dieser Geschichten und wie Anerkennung für die Leistungen der Frauen in der Care-Arbeit geschehen kann. In der aktuellen Wirtschaft werden vor allem männliche Leistungen, insbesondere Pionierleistungen, als geschichtsrelevant erachtet. Diese Leistungen sind sichtbar und prägen den wirtschaftlichen Diskurs.


Care-Arbeit hingegen ist meist "unsichtbar". Sie rückt erst dann in den Fokus und wird (als fehlendes, wichtiges Puzzlestück) erkannt, wenn sie nicht geschieht. Diesen Effekt kannst du dir sehr einfach bildlich vor Augen führen: Stell dir vor, in einer riesigen Stadt stellen alle Menschen täglich ihre Müllsäcke auf die Strasse. Diese werden dann aber nicht abgeholt.


DAS ist der Effekt von Care-Arbeit, die NICHT stattfindet.


Doch wie kann Anerkennung für die kontinuierliche, jedoch oft unsichtbare, Care-Arbeit geschehen?


Die Berichterstattung über wirtschaftliche Leistungen basiert häufig auf einem Denkmodell* der drei Sektoren (Primär-,