Schluchzend und schniefend sass ich am Tisch, unfähig, meinem Kumpel HP zu erzählen, was passiert war. Der Kellner fragte besorgt, ob er mir ein Glas Wasser bringen könne.
"Nein. Bringen Sie Champagner!"
Bei dieser geistesgegenwärtigen Antwort von HP entspannten sich die Gesichtszüge des Kellners und er marschierte sofort los, um das Gewünschte zu holen.
So begann er, mein ganz persönlicher Gänsehautmoment in meinem Business, von dem ich dir im Rahmen meiner Blogparade heute erzählen werde.
Das "Oh, wow!" kam im Bowlingcenter
Bis zu diesem geschichtsträchtigen Moment, der ganz bescheiden in einem Bowlingcenter stattfand, war es ein weiter Weg für mich.
Kennst du das, wenn du in einer Sache so drin bist, dass du machst, machst, machst und im Moment, in dem du endlich ankommst, noch so im Wuseln drin bist, dass du das Überschreiten der Ziellinie gar nicht bemerkst?
So war es bei mir. Jedenfalls, bis HP nachhakte, wie diese wichtige Woche gelaufen sei – und bei mir alle Dämme brachen ...
"Wer wird dir für dein Coaching schon Geld geben?"
Das war ein Glaubenssatz, der mich unerhört lange ans Angestelltendasein fesselte und von der Selbstständigkeit abhielt. Überraschenderweise habe ich nämlich keinerlei Probleme, die tollen Produkte eines Arbeitgebers anzupreisen oder dessen Kunden zu coachen. Das tat ich viele Jahre erfolgreich.
Dennoch war ich überzeugt:
"Ich kann gar nicht coachen"
Wäre ich selbst meine beste Freundin - oder mein Coach - würde ich mir liebevoll mitteilen, dass dies ein krasser Fall von Selbstverleugnung sei. Oder das Impostor-Syndrom – ein psychologisches Phänomen, bei dem Betroffene überzeugt sind, dass sie "gar nichts" können und die anderen das irgendwann herausfinden würden. Es tröstet, dass ich mich da (angeblich) mit Meryl Streep in bester Gesellschaft befinde.
Die ersten Schritte sind die schwersten
Dennoch machte ich mich irgendwann auf den Weg. Erst zögernd, dann immer festeren Schrittes. Der Startschuss war ein Coaching-Tag bei einer Kollegin. Das war damals mein erstes Investment in mich selbst: 1200.-- CHF für einen Tag.
Anschließend besuchte ich mit einer Freundin die Women's Expo Switzerland in Zürich. Da ausschliesslich weibliche Selbstständige ausstellen würden, wollten wir "uns das mal ansehen". Wir gaben uns das Versprechen: Diese Ausstellung sollte der Startschuss sein, um unsere bisherige Laufbahn zu überdenken und die Segel neu zu setzen.
Ein Versprechen mit Folgen
Im Frühjahr 2018 machte ich Nägel mit Köpfen: Ich meldete mich kurzerhand als Ausstellerin an der Women's Expo an.
Nun war ich quasi gezwungen, weiterzugehen. Ich "gründete" innerhalb von 14 Tagen meine Firma. Das heisst: Ich kreierte meine Webseite und die Visitenkarten. Wie sonst sollte ich auf einer Ausstellung, nun ja ... ausstellen?
In der Schweiz muss eine Einzelfirma den Namen des Inhabers tragen. Also erblickte Chris Collet Coaching & Consulting das Licht der Businesswelt.
Die Ausstellung selbst hat mich an die 20'000 Stresskalorien gekostet. Ich gehe schon nicht gerne als Gast zu einer Expo. Ganz zu schweigen davon, wenn ich den ganzen Tag hinter einem Tisch stehen, mein Angebot präsentieren und glückliche Überzeugungskraft ausstrahlen muss. Sagte ich schon, dass ich üblicherweise grosse Menschenansammlungen vermeide?
Okay, der erste Schritt war getan. Aber natürlich waren noch lange keine Kunden in Sicht. Sehr lange ...
Ein Raum muss her!
Ich war weiterhin angestellt und beschloss, mich erst mal nicht zu stressen. Am liebsten wäre ich 2017 schon direkt online tätig gewesen. Ich merkte aber, dass ich eine "berufliche Heimat" brauchte, etwas Greifbares. Im Sommer 2018 fand ich meinen ersten Coachingraum in Untermiete. Doch bereits wenige Monate später verlor ich ihn schon wieder, weil das Haus verkauft wurde. Die Suche nach einem eigenen Raum begann ... Und genau zwischen diesen beiden Ereignissen geschah es: Das Gänsehauterlebnis, das ich dir heute erzählen möchte.
Kunden finden – bloss wie?
Ich hatte eine klare Vorstellung davon, wie mein Angebot aussehen sollte: 1:1 Coaching über einen längeren Zeitraum jeweils mit denselben Kunden. Als Introvertierte wollte ich keinesfalls, dass sich in meinem Coachingraum die Klienten die Klinke in die Hand gäben, als sei es eine Arztsprechstunde.
Was mir jedoch schlaflose Nächte bereitete: Wie sollten diese Kunden zu mir kommen?
Der Anfang vom glücklichen Ende war, dass ich mir selbst einige 1:1 Coachings gönnte, um meinen sabotierenden Denkmustern den Garaus zu machen. Und dann lebte ich einfach weiter. Ich sprach hie und da mit Menschen, ganz offen und ohne Druck. Mit der Zeit gelang es mir, bei ein paar von ihnen Interesse zu wecken.
Zwar ist es mir heute rätselhaft, warum ich das so terminiert hatte, aber ich legte alle meine "ersten Erstgespräche" in die gleiche Woche.
Ohne gute Vorbereitung geht nix
Wenn ich Kundengespräche vorbereite, bin ich voll in meinem Element. Ich setze mich hin, mit einem grossen Blatt Papier in A3 Format, und beginne aufzuzeichnen:
Was weiss ich von dem Menschen, dem ich begegnen werde?
Welche Ziele und Träume hat er?
Und wie könnte eine Begleitung aussehen, die passgenau auf die Bedürfnisse dieses Menschen abgestimmt wäre?
Als nächsten Schritt überlege ich mir ein Preiskonzept. Diese Aufgabe bringt mein Herz (heute) zum Hüpfen. Es geht darum, ein vollständiges Angebot, inklusive einem für mich und die Kundin fairen Preis zu kreieren.
Irgendein kleines Teufelchen in meinem Innern lacht sich noch immer schief bei der Erinnerung daran, wie ich früher unterwegs war. Damals suchte ich nach Wegen, wie ich kostenlos coachen könnte oder für winziges Geld – ohne zu verhungern. Mit dem Besitzer des Kiosks, bei dem ich wöchentlich den Lottozettel kaufte, war ich per "du".
Zu "salesy"?
Du fragst dich vielleicht, ob es nötig ist, schon vor einem unverbindlichen Erstgespräch über Preise nachzudenken. Ist man da nicht zu "salesy" unterwegs?
Um ehrlich zu sein und mal gar nicht Licht-unter-den-Scheffel-stellend: Ich bin sogar überzeugt, dass die völlig entspannte und freie Atmosphäre, die ich in Kundengesprächen schaffe, zu meinen ausgeprägten Stärken gehört.
Niemand muss fürchten, dass er in einem Gespräch von mir zugequatscht wird, bis er, völlig entkräftet, einem Kauf zustimmt, den er gar nicht will.
Eher das Gegenteil ist der Fall: Selbst wenn Kunden klare Kaufabsichten zeigen, frage ich oft noch mal nach, checke diverse Punkte ab und lasse ihnen Zeit, damit sie sich in Ruhe Gedanken darüber machen können.
Es ist mein persönlicher Luxus, dass ich Menschen begleiten darf, die sich bewusst dafür entschieden haben, genau mit mir zusammenzuarbeiten.
Lange Rede, kurzer Sinn: Über Preise nachzudenken und sich zu überlegen, welchen Gegenwert frau für ihre Leistung haben möchte, führt noch lange nicht dazu, eine unangenehme Druckmacher-Verkäuferin zu werden.
Meine Überzeugung: Ein guter, aber entspannter Umgang mit Geld ist notwendig. Wie könnte ich sonst erfolgreiche Business-Coachings durchführen? Zu einer vollständigen Dienstleistung gehören ein Dienst und eine Leistung. So einfach.
Eine Woche mit BÄMs
Tja, was soll ich sagen? Die Woche näherte sich, in der ich meine ersten Interessenten persönlich kennenlernen würde. Die Gespräche fanden statt. Alle waren sehr angenehm und inspirierend. Ich war zufrieden mit meiner Arbeit, durfte aber natürlich noch abwarten, ob meine Worte bei den potentiellen Kunden auch fruchten würden.
Und dann: BÄM! BÄM! BÄM!
"Aber warum fingst du nun vor HP an zu heulen, Chris?"
Halt dich fest!
ALLE Interessenten wurden zu Kunden!
Ich hatte einige meiner wichtigsten Geld-Mindfucks überwunden.
Und, der vielleicht wichtigste Grund:
Obwohl ich (heimlich) noch immer nicht sicher war, ob ich überhaupt coachen konnte* bin ich für mich und meinen Traum losgegangen. Ich habe es einfach getan!
Warum ich das HP nicht gleich erzählen konnte? Nun, exakt in diesem Moment im Bowlingsender begriff ich plötzlich, was passiert war. Es sickerte auf einmal alles in mein Bewusstsein. Und das hat mich umgehauen!
Da musste Champagner her, keine Frage!
Was habe ich daraus gelernt?
Halte den inneren Fokus, auch wenn im Aussen "nichts" zu passieren scheint
Geh den nächsten Schritt, wenn er dran ist
Denke Kundengespräche duo-perspektivisch:
Welches Ergebnis wünsche ich mir für diese Begegnung? Welches Ergebnis wünscht sich der Kunde für diese Begegnung?
Halte deine Vorstellungskraft für das schönste Ergebnis offen!
Lust, bei mehr Gänsehautmomenten von selbständigen Frauen mitzufiebern?
Hier findest du in Kürze den Link zu meiner Zusammenfassung mit 14 plus 1 berührenden, aufregenden, wunderbaren Beiträgen aller Blogparaden-Teilnehmerinnen.
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*inzwischen sind manche Kund:innen von damals zurück gekommen und haben mir einen neuen Auftrag erteilt. Das ist für mich die allerschönste Bestätigung meiner Arbeit.
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Du kannst ganz unkompliziert als "Gast" schreiben. Sehr cool wäre, wenn du unter deinem Schlussgruss deinen Namen und vielleicht auch den Link zu deiner Webseite notieren magst. So weiss ich, wenn ich ansprechen darf, wenn ich auf deinen Kommentar antworte.
Dankeschön!
Deine Chris
Dieser Artikel entstand im Rahmen meiner Blogparade "Gänsehautmoment - Ein unvergessliches Erlebnis als Selbständige".